Gründungsakte:n

Heinrich Klotz, das DAM und der Konflikt um die Postmoderne 1979 bis 1989


Studentische Spurensuche in den Gründungsakten I: Ein Manifest für das Deutsche Architekturmuseum

Welche Rolle spielen Institutionen, Diskurse, Netzwerke und Praktiken eigentlich dafür, welche Debatten in und über Architektur geführt werden, wer daran teilnimmt und welche Architekturen wie beurteilt werden? Und wie lässt sich eigentlich etwas darüber herausfinden? Diesen Fragen widmete sich eine Gruppe Studierender der Goethe-Universität Frankfurt am Main im Rahmen des Seminars „Heinrich Klotz und das DAM“, indem sie ausgewählte Aktenordner aus dem Bestand der DAM Gründungsakten untersuchten. Der folgende Text ist einer von insgesamt vier Gastbeiträgen auf diesem Blog, in denen Teilnehmer:innen des Seminars einige ihrer Forschungsergebnisse vorstellen.

© DAM und die jeweiligen Urheber:innen bzw. ihre Rechtsnachfolger:innen.

Ein Manifest für das Deutsche Architekturmuseum

Saskia Groß

In seiner Autobiografie beschreibt Heinrich Klotz einen Moment, der zentral für die Gründung des Architekturmuseums in Frankfurt am Main gewesen sei: einen Sommerabend im Jahr 1977 auf der Terrasse seines Freundes Peter Iden, an dem auch der neue Kulturdezernent Frankfurts, Hilmar Hoffman anwesend war. (1) Die Idee eines Architekturmuseums in Deutschland hatte Klotz zu diesem Zeitpunkt bereits länger mit sich herumgetragen, wobei er seine Gedanken zunächst unabhängig von einem konkreten Standort entwickelte. Glaubt man Klotz, war es die Zusammenkunft bei Peter Iden, die die Gründung des Museums in Frankfurt am Main ins Rollen brachte. Bereits kurze Zeit danach besichtigte Klotz gemeinsam mit Hoffmann und Walter Wallmann, dem Oberbürgermeister Frankfurts, die Gründerzeitvilla am Schaumainkai 43, in der das Architekturmuseum später entstehen sollte. Eine erste von Klotz verfasste offizielle Vorlage für ein Museumskonzept ist auf den 28. Juni 1977 datiert und liest sich gleich eines Manifests, in welchem er auf sechs Seiten seine Vorstellungen hinsichtlich der Ausrichtung und Funktion eines Architekturmuseum darlegt und für dessen Gründung wirbt. Es sollte jedoch noch mehr als ein Jahr dauern, bis diese offiziell auf einer Pressekonferenz am 19. Januar 1979 verkündet wurde. Am darauffolgenden Tag stellte ein Artikel der FAZ Heinrich Klotz als zukünftigen Museumsleiter vor. (2)

Um die Notwendigkeit eines Architekturmuseums zu verdeutlichen, verweist Klotz in seiner Vorlage, auf eine bisherige Geringschätzung von Architekturmodellen und -zeichnungen und argumentiert, dass diese neben den monumentalen Bauten auch selbst von besonderem ästhetischen und dokumentarischen Wert wären. Damit war er gleichwohl nicht alleine und knüpfte an einen zeitgenössischen Diskurs über eine Neubewertung von Architekturentwürfen an. (3) Viele Architekturschaffende betrachteten zu diesem Zeitpunkt die Materialien ihres Entwurfsprozesses als reine Arbeitsobjekte, welche daher nach Abschluss eines Projekts entsorgt wurden. Für Klotz war es zeitlebens ein wichtiges Anliegen durch Dokumentation, Sammlung und Aufbewahrung die Zeitzeugnisse verschiedener Architekt:innen zu erhalten, was sich letztendlich auch in seinem passionierten Einsatz für die Gründung einer Institution ausdrückt, die sowohl Materialien über historische Bauwerke sammeln und bewahren, aber auch die Architektur der Gegenwart und Zukunft dokumentieren sollte.

Bereits in seinem ersten Konzept für ein Architekturmuseum benennt Klotz zahlreiche namenhafte nationale und internationale Architekturschaffende, mit denen er privat oder beruflich in Kontakt stand und welche sich bereit erklärt hätten, dem potenziellen Museum Teile ihrer Arbeitsmaterialien und Modelle als Sammlungsobjekte zur Verfügung zu stellen. Außerdem erklärt er, dass Architekturzeichnungen und -modelle durch ihren bisherigen Mangel an Wertschätzung als Kunstgegenstände auf dem Kunstmarkt vergleichsweise günstig zu erwerben wären und deutet hiermit eine Handlungsnotwendigkeit an. Damit präsentiert Klotz sich einerseits als idealen Kandidaten für einen schnellen und günstigen Sammlungsaufbau und die Leitung eines Architekturmuseums. Allerdings zeigt sich andererseits auch, wie stark eine von ihm aufgebaute Sammlung zumindest anfänglich durch seine Person und Haltung geprägt werden würde. Dazu manifestiert sich in dem Dokument eine Diskrepanz zwischen der Idee eines nationalen Museums mit „internationaler Ausrichtung“, die zunächst nur schwer vereinbar und umsetzbar erscheint und von Klotz nicht weiter erläutert wird.

Ein weiteres wichtiges Argument für die Gründung eines Architekturmuseums in Klotz‘ frühem Konzept ist sein Verständnis von Architektur als weit mehr als „nur eine Kunstgattung“. Vielmehr sei sie als „künstliches Gehäuse des menschlichen Lebens“ zu verstehen, was sie zu einem primären Faktor der Umweltbeeinflussung und -gestaltung, und somit letztlich zu einem Anliegen der Humanökologie mache. Das Museum imaginiert Klotz in diesem Zusammenhang als ein Forum für die Diskussion wichtiger und aktueller Thematiken in Bezug auf Architektur. Es solle einen Ort des kulturellen Erbes, des Dialoges und des Austausches darstellen und könne so dazu beitragen, das Bewusstsein um die Bedeutung der Architektur in der Gesellschaft zu stärken. Dazu schreibt er:

„Doch auch eine dem traditionellen Verständnis der Architektur entsprechende Institution, die den Produkten baukünstlerischen Entwerfens gerecht würde, fehlt bisher in der Bundesrepublik und in der DDR gänzlich. Es gibt überhaupt nur drei ernstzunehmende Architekturmuseen: das seit den zwanziger Jahren bestehende Architekturmuseum in Stockholm, das jüngst gegründete Architekturmuseum in Amsterdam und die Abteilung für Architektur im Museum of Modern Art in New York.“

In seiner Beschreibung der notwendigen Ausrichtung eines neuen Architekturmuseums in Deutschland orientiert er sich am Vorbild des Institute for Architecture and Urban Design in New York und gibt damit einen ersten Rahmen vor, nach dem sich die neue Institution richten könnte. Frankfurt am Main präsentiert Klotz als einen Ort, an dem ein nationales Architekturmuseum mit internationaler Ausrichtung auf besonders fruchtbaren Boden stoßen würde, und der – nicht zuletzt auch wegen seiner globalen Anbindung durch den Flughafen – einen idealen Standort mit nationaler und internationaler Relevanz darstellen würde.

Die erste Vorlage zum Konzept wird von Klotz mehrfach überarbeitet und um Informationen zur Gründung, Ausstellungsprogrammatik, Sammlung, Institution und dem Museumsbau selbst ergänzt. Die finale Version erscheint am 1. Juni 1984 in der Festschrift zur Eröffnung des Museums. (4) Mit seiner ersten Vorlage für ein Architekturmuseum setzte Klotz jedoch wichtige Impulse, indem er die Bedeutung und Notwendigkeit einer solchen Institution darlegte. Wie wichtig es war, gleich zu Beginn der Museumsufer-Planung mit einem überzeugenden Projekt anzutreten, zeigt die durchaus kritische Debatte um die Gründung des DAM in der Presse.

Anmerkungen:

(1) Klotz, Heinrich: Weitergegeben: Erinnerungen, Köln 1999, S. 83 – 84.

(2) Kirn, Thomas: „Ein Platz für Architektur und zeitgenössische Kunst. Magistrat befürwortet einstimmig zwei neue Museen am Schaumainkai / Eröffnung Ende 1980″, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.01.1979, S. 49.

(3) Schwarz, Hans-Peter: „Architektur als Schauobjekt – Zur Geschichte der Architektursammlungen“, in: in: Hans-Peter Schwarz (Hg.): Deutsches Architekturmuseum Frankfurt am Main, Frankfurt 1989, S. 21 – 41.

(4) Klotz, Heinrich: „Das Deutsche Architekturmuseum Frankfurt am Main“, in: Hans-Peter Schwarz (Hg.): Deutsches Architekturmuseum Frankfurt am Main, Frankfurt 1989, S. 9 – 19.

Saskia Groß

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